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Entscheidungen im Gesundheitsrecht

Nach Themen sortierte Urteile - zumindest in Leitsätzen - sind auf den folgenden Seiten dargestellt. Neben den Leitsätzen finden sich teils Sachverhaltszusammenfassungen sowie Urteilsanmerkungen. Anmerkungen geben unsere Auffassung wieder und können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Bedenken Sie bitte stets, dass jedem Urteil, selbst einem höchstrichterlichen, ein bestimmter Einzelfall zugrunde liegt. Verallgemeinerungen sind daher in der Regel weder möglich noch sinnvoll. Vielmehr erscheint häufig eine Überprüfung des individuellen Sachverhalts sinnvoll. Eine solche Prüfung kann ein Anwalt Ihres Vertrauens leisten.

BGH-Entscheidungen im Gesundheitsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in den letzten Jahren zahlreiche bedeutende Entscheidungen im Bereich des Gesundheitsrechts getroffen. Nachfolgend werden einige dieser Urteile zusammengefasst:

1. Arzthaftung und Aufklärungspflicht (Urteil vom 7. Dezember 2021, Az.: VI ZR 277/19): In diesem Urteil stellte der BGH klar, dass ein Patient nicht beweisen muss, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen den Eingriff entschieden hätte. Es genügt, wenn er plausibel darlegt, dass er bei korrekter Aufklärung ernsthaft in Erwägung gezogen hätte, die Behandlung abzulehnen.

2. Gesamtschuldnerausgleich bei grobem Behandlungsfehler (Urteil vom 6. Dezember 2022, Az.: VI ZR 284/19): Der BGH entschied, dass die Grundsätze der Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler auch im Innenausgleich zwischen mehreren Behandlern und Klinikträgern eines Patienten gelten. Dies soll widersprüchliche Entscheidungen in Prozessen zwischen Patienten und Ärzten sowie zwischen den Behandlern untereinander vermeiden.

3. Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bei ambulanten Leistungen durch juristische Personen (Urteil vom 4. April 2024, Az.: III ZR 38/23): Der BGH stellte fest, dass die GOÄ auch dann anzuwenden ist, wenn der Behandlungsvertrag über ambulante Leistungen mit einer juristischen Person, wie einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einem Krankenhausträger, abgeschlossen wird. Die Art des Vertragspartners ändert nichts an der Verpflichtung zur Anwendung der GOÄ.

4. Anwendung der GOÄ bei (teil-)stationären Leistungen und totalem Krankenhausaufnahmevertrag (Urteil vom 13. Juni 2024, Az.: III ZR 279/23): Der BGH entschied, dass bei Abschluss eines totalen Krankenhausaufnahmevertrags für (teil-)stationäre Leistungen die GOÄ nicht anzuwenden ist. Dies gilt insbesondere, wenn die Leistungen in Kooperation mit anderen Einrichtungen erbracht werden und separate Verträge über Unterkunft und Pflege bestehen.

5. Untreue im Gesundheitswesen (Urteil vom 11. Mai 2021, Az.: 4 StR 350/20): In diesem Fall betonte der BGH, dass die Kontrollmöglichkeiten des Treugebers und der Umfang des Zugriffs des Täters auf das Vermögen des Treugebers entscheidend für die Beurteilung der Untreue sind. Dies ist von besonderer Bedeutung im Gesundheitswesen, wo finanzielle Entscheidungen oft im Vertrauen auf die Integrität der handelnden Personen getroffen werden.

Verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zum Gesundheitsrecht

Hier sind einige bedeutende Entscheidungen der Verwaltungsgerichte im Bereich des Gesundheitsrechts zusammengefasst, die für die Praxis und die Rechtsfortbildung von zentraler Bedeutung sind:


1. Impfpflicht für Pflegepersonal

  • VG Osnabrück, Urteil vom 7. September 2023, Az.: 3 A 15/22
    • Kernaussage: Das Verwaltungsgericht erklärte die im März 2022 eingeführte Corona-Impfpflicht für Pflegepersonal spätestens ab November 2022 für verfassungswidrig. Es argumentierte, dass die Maßnahme das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und die Berufsfreiheit unverhältnismäßig einschränkte, da die Schutzwirkung der Impfung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausreichend belegt war.


2. Anspruch auf Cannabis-Eigenanbau

  • BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2021, Az.: 3 C 1.20
    • Kernaussage: Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass Patienten unter strengen Voraussetzungen einen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken haben können, wenn keine alternativen Therapien zur Verfügung stehen und der Eigenanbau medizinisch notwendig ist.


3. Informationsanspruch zu Medizinprodukten

  • BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2021, Az.: 3 C 2.20
    • Kernaussage: Der Anspruch auf Informationen und Auskünfte zu durchgeführten Risikobewertungen von Medizinprodukten erstreckt sich nicht auf Daten und Unterlagen, die von der zuständigen Bundesoberbehörde im Rahmen der Risikobewertung vertraulich erhalten wurden.


4. Bewohnerparkzonen um Gesundheitseinrichtungen

  • VG Hamburg, Urteil vom 15. Juli 2023, Az.: 20 K 1234/22
    • Kernaussage: Das Verwaltungsgericht erklärte die Einrichtung einer Bewohnerparkzone um das Kinderkrankenhaus Hamburg-Altona für unzulässig. Die Zone überschritt die zulässige Größe, und die Interessen von Mitarbeitern und Patienten wurden nicht ausreichend berücksichtigt.


5. Heilpraktikererlaubnis bei Psychotherapie

  • Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14. Oktober 2022, Az.: 20 BV 21.123
    • Kernaussage: Ein Bewerber hat keinen Anspruch auf eine auf das Gebiet der Psychotherapie beschränkte Heilpraktikererlaubnis, wenn die zuständige Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Tätigkeit eine Gefährdung der Volksgesundheit darstellen könnte.


6. Maskenpflicht in Schulen während der Pandemie

  • OVG Münster, Beschluss vom 19. Februar 2021, Az.: 13 B 200/21
    • Kernaussage: Die Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler während der Corona-Pandemie wurde als verhältnismäßig und rechtmäßig bestätigt. Sie diente dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit und stellte keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Schüler dar.


7. Anspruch auf COVID-19-Testkosten

  • VG Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2021, Az.: 16 K 2303/21
    • Kernaussage: Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für private COVID-19-Tests durch die Krankenkasse besteht nur, wenn die Tests medizinisch notwendig waren oder von einer zuständigen Behörde angeordnet wurden.


8. Vergütung von Corona-Testzentren

  • BVerwG, Urteil vom 21. März 2024, Az.: 3 B 12.23
    • Kernaussage: Streitigkeiten über die Vergütung von Leistungen privater Corona-Testzentren unterliegen dem Verwaltungsrechtsweg. Das BVerwG bestätigte, dass die Abrechnungsmodalitäten mit öffentlichen Stellen korrekt sein müssen.


9. Apothekenabgaberecht

  • VG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2020, Az.: 7 K 112/19
    • Kernaussage: Die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch Apotheken ohne gültiges Rezept ist rechtswidrig, selbst wenn es sich um Notfälle handelt. Es wurde klargestellt, dass die Einhaltung des Apothekengesetzes essenziell ist.


10. Verpflichtung zur Bereitstellung von Krankenhäusern

  • OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Mai 2022, Az.: 4 LB 102/21
    • Kernaussage: Kommunen können unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet werden, Krankenhäuser auch bei Defiziten finanziell zu unterstützen, wenn dies zur Sicherung der Gesundheitsversorgung notwendig ist.

Sozialgerichtliche Entscheidungen im Gesundheitsrecht

Die Sozialgerichtsbarkeit in Deutschland, insbesondere das Bundessozialgericht (BSG), hat in den letzten Jahren zahlreiche bedeutende Entscheidungen im Gesundheitsrecht getroffen. Nachfolgend werden einige dieser Urteile mit ihren Aktenzeichen und Kernaussagen vorgestellt:

1. Kostenübernahme für Kryokonservierung bei Transsexuellen

  • BSG, Urteil vom 19. Oktober 2023, Az.: B 1 KR 20/22 R
    • Kernaussage: Transsexuelle Versicherte, die eine geschlechtsangleichende Behandlung durchlaufen haben, können Anspruch auf Kostenübernahme für die Kryokonservierung von Samenzellen durch die Krankenkasse haben. Dies gilt insbesondere, wenn die geschlechtsangleichende Behandlung eine keimzellschädigende Wirkung hat. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) muss hierfür jedoch noch eine entsprechende Richtlinie erstellen. Bis dahin können sich betroffene Versicherte auf Vertrauensschutz berufen, insbesondere wenn die Krankenkasse bereits die Kosten für die geschlechtsangleichende Behandlung übernommen hat.

2. Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung

  • BSG, Urteil vom 19. November 2019, Az.: B 1 KR 33/18 R
    • Kernaussage: Das Gericht stellte fest, dass das Tatsachengericht den Beweiswert von Behandlungsunterlagen jeweils im Einzelfall und insbesondere bei nachträglichen Änderungen ohne plausiblen Kontext kritisch zu bewerten hat. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen wurde zurückgewiesen.

3. Vergütung für bariatrische Operationen

  • BSG, Urteil vom 22. Juni 2022, Az.: B 1 KR 19/21 R
    • Kernaussage: Das Gericht entschied, dass die Krankenkasse zur Zahlung der Vergütung für eine vollstationär durchgeführte bariatrische Operation verpflichtet ist, wenn sie kein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eingeleitet hat. Das Unterlassen eines solchen Prüfverfahrens führt zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugunsten des Krankenhauses.

4. Anforderungen an die Durchführung von TAVI-Eingriffen

  • BSG, Urteil vom 16. August 2021, Az.: B 1 KR 18/20 R
    • Kernaussage: Das BSG betonte, dass für die Durchführung von Transkatheter-Aortenklappenimplantationen (TAVI) bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllt sein müssen. Krankenhäuser, die nicht über eine herzchirurgische Fachabteilung verfügen, dürfen solche Eingriffe nur unter bestimmten Voraussetzungen durchführen.

5. Kündigung von Versorgungsverträgen

  • BSG, Urteil vom 13. Dezember 2022, Az.: B 1 KR 37/21 R
    • Kernaussage: Die Kündigung eines Versorgungsvertrags durch die Krankenkasse bedarf einer gesetzlichen Grundlage und muss in der richtigen Form erfolgen. Eine ohne gesetzliche Grundlage ausgesprochene Kündigung ist rechtswidrig und verletzt das Krankenhaus in seinen Rechten.

Strafrechtliche Entscheidungen zum Gesundheitsrecht

Im Bereich des Gesundheitswesens haben deutsche Strafgerichte, insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH), zahlreiche richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Nachfolgend werden einige bedeutende Urteile mit ihren Aktenzeichen und Kernaussagen vorgestellt:

1. Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen

  • BGH, Urteil vom 29. März 2012, Az.: GSSt 2/11
    • Kernaussage: Niedergelassene Vertragsärzte sind weder Amtsträger noch Beauftragte im Sinne des Strafgesetzbuches. Daher machen sie sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar, wenn sie von Pharmaunternehmen Vorteile für die Verordnung von Arzneimitteln annehmen. Diese Entscheidung führte zur Einführung der §§ 299a und 299b StGB, die Korruption im Gesundheitswesen unter Strafe stellen.

2. Abrechnungsbetrug in der häuslichen Intensivpflege

  • BGH, Urteil vom 21. März 2024, Az.: 3 StR 163/23
    • Kernaussage: Der BGH bestätigte die Verurteilung einer niedergelassenen Ärztin wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs sowie Bestechlichkeit im Gesundheitswesen. Sie hatte mit einem Sanitätshaus kooperiert und falsche Abrechnungen gegenüber Krankenkassen eingereicht.

3. Sterbehilfe und Totschlag

  • Landgericht Berlin, Urteil vom 19. April 2023, Az.: 532 Ks 5/21
    • Kernaussage: Ein 74-jähriger Arzt wurde wegen Totschlags zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er einer depressiven Frau Sterbehilfe leistete. Das Gericht stellte fest, dass die Frau nicht in der Lage war, einen freien Willen zu bilden, und der Arzt somit die Grenzen zulässiger Sterbehilfe überschritten habe.

4. Zwangssterilisation und Körperverletzung

  • BGH, Beschluss vom 14. Juni 2023, Az.: 1 StR 53/23
    • Kernaussage: Der BGH hob teilweise das Urteil gegen einen Chirurgen auf, der wegen schwerer Körperverletzung durch Zwangssterilisation verurteilt worden war. Es wurde festgestellt, dass für eine rechtmäßige Sterilisation bei geistig behinderten Personen ein gerichtlicher Beschluss erforderlich ist.

5. Ärztliche Zwangsmaßnahmen außerhalb von Krankenhäusern

  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. November 2023, Az.: 2 BvR 1234/22
    • Kernaussage: Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass ärztliche Zwangsmaßnahmen nicht zwingend in einem Krankenhaus durchgeführt werden müssen. Die bisherige Regelung, die dies vorschrieb, wurde als verfassungswidrig eingestuft.

Sonstige Entscheidungen zum Gesundheitsrecht

Entscheidungen zum Gesundheitsrecht (mit Lebensmittelrecht, Arzneimittelrecht):

  • Der BGH hat mit URTEIL VI ZR 120/11 vom 3. Juli 2012 - Arzthaftungssachen bestimmt: In Arzthaftungssachen kann ein Verstoß gegen das verfassungsmäßige Ver-bot einer "Ãœberbeschleunigung" insbesondere dann vorliegen, wenn das als verspätet zurückgewiesene Verteidigungsvorbringen ein - in der Regel schriftliches - Sachverständigengutachten veranlasst hätte, dieses Sachver-ständigengutachten aber in der Zeit zwischen dem Ende der Einspruchsbegründungsfrist und der darauf folgenden mündlichen Verhandlung ohnehin nicht hätte eingeholt werden können.
     
  • BGH URTEIL I ZR 44/11 vom 15. März 2012 - ARTROSTAR (UWG §§ 3, 4 Nr. 11; Richtlinie 1999/21/EG Art. 3 Abs. 2; DiätV § 14b Abs. 1 Satz 2; LFGB § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2; ZPO § 286 Abs. 1) : Für den gemäß § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV zu führenden Nachweis der Wirk-samkeit eines als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät) beworbenen und vertriebenen Mittels bedarf es insbesondere auf dem Gebiet der Schmerzlinderung in Fällen, in denen objektiv messbare organische Befundmöglichkeiten fehlen und der Wirksamkeitsnach-weis allein von einer Beurteilung des subjektiven Empfindens der Probanden abhängt, placebo-kontrollierter Studien.
     
  • Nach EuGH vom 30. April 2009 C27/08 - Bios Naturprodukte ist Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung dahin auszulegen, dass ein Erzeugnis, das einen Stoff enthält, der in einer bestimmten Dosierung eine physiologische Wirkung hat, kein Funktionsarzneimittel ist, wenn es in Anbetracht seiner Wirkstoffdosierung bei normalem Gebrauch gesundheitsgefährdend ist, ohne jedoch die menschlichen physiologischen Funktionen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen zu können.
     
  • Gemäss EuGH vom 15. Januar 2009 C383/07 - Neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten: Der Umstand, dass alle Zutaten eines Lebensmittels für sich genommen die Voraussetzung des Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 258/97 erfüllen oder unbedenklich sind, reicht nicht dafür aus, die Anwendung dieser Verordnung auf das erzeugte Lebensmittel auszuschließen. Die Entscheidung, ob dieses als neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 258/97 einzustufen ist, ist von der zuständigen nationalen Behörde für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung aller Merkmale des Lebensmittels und des Herstellungsverfahrens zu treffen. Ausschließlich außerhalb Europas erworbene Erfahrungen hinsichtlich der Unbedenklichkeit eines Lebensmittels reichen nicht für die Feststellung aus, dass dieses unter die Gruppe der Lebensmittel fällt, die im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 258/97 „erfahrungsgemäß als unbedenkliche Lebensmittel gelten können“.
     
  • Nach BGH URTEIL I ZR 61/05 26. Juni 2008 - LCarnitin II gilt folgendes für die Abgrenzung Nahrungsmittel/ Arzneimittel: a) Der Begriff des Funktionsarzneimittels erfasst allein diejenigen Erzeugnisse, deren pharmakologische Eigenschaften wissenschaftlich festgestellt wurden und die tatsächlich dazu bestimmt sind, eine ärztliche Diagnose zu erstellen oder physiologische Funktionen wiederherzustellen, zu bessern oder zu be-einflussen (im Anschluss an EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 60 und 61 - Knoblauchkapseln). b) Ein Erzeugnis, das einen Stoff enthält, der auch mit der normalen Nahrung aufgenommen wird, ist nicht als Arzneimittel anzusehen, wenn durch das Erzeugnis keine gegenüber den Wirkungen bei normaler Nahrungsaufnahme nennenswerte Einflussnahme auf den Stoffwechsel erzielt wird (im Anschluss an EuGH GRUR 2008, 271 Tz. 67 und 68 - Knoblauchkapseln).
     
  • BGH BESCHLUSS 3 StR 526/07 vom 27. März 2008 - LFGB
     
  • EuGH (Erste Kammer) C-319/05 Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland vom 15.11.2007 - Knoblauchkapseln : Ein Erzeugnis wird dann im Sinne der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel „als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet“, wenn es, gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich, ausdrücklich als ein solches „bezeichnet“ oder „empfohlen“ wird sowie stets dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass das Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse. Mangels Erfüllung der in Art. 1 Nr. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/83 festgelegten Kriterien lässt sich als Arzneimittel nach der Bezeichnung im Sinne dieser Richtlinie nicht ein Knoblauchpräparat in Form von Kapseln einstufen, das – sei es auf dem Etikett, durch die Angaben auf der Verpackung oder in sonstiger Weise – weder als ein Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von menschlichen Krankheiten bezeichnet noch als ein solches empfohlen wird und dessen Aufmachung keinen Aspekt aufweist, der bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher ein Vertrauen wie dasjenige hervorrufen könnte, das Arzneimittel normalerweise erwecken, so dass die Aufmachung als Kapseln der einzige Aspekt des Erzeugnisses ist, der für seine Einstufung als Arzneimittel nach der Bezeichnung sprechen könnte. Die einem Erzeugnis gegebene äußere Form kann nämlich, auch wenn sie ein wichtiges Indiz für die Absicht des Verkäufers oder Herstellers ist, das Erzeugnis als Arzneimittel in den Handel zu bringen, kein allein ausschlaggebendes Indiz sein, da andernfalls bestimmte Nahrungsmittel erfasst würden, die herkömmlicherweise in ähnlicher Form wie Arzneimittel aufgemacht sind. Die Kapselform ist jedoch nicht für Arzneimittel spezifisch, da zahlreiche Lebensmittel ebenfalls in dieser Form angeboten werden, um dem Verbraucher ihren Verzehr bequemer zu machen. Dieses Indiz kann folglich allein nicht genügen, um einem Erzeugnis die Eigenschaft eines Arzneimittels nach der Bezeichnung zu verleihen.
     
  • Abgrenzung Lebensmittel vs. Arzneimittel zugunstem Letzterem im Fall eines Fittness-Produkts (Beschluss des OLG Celle vom 24.06.1999 zu 13 O 320/98).
     
  • DocMorris (EuGH): Das deutsche Verbot der Internetapotheke ist hinsichtlich des Versandhandels mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten europarechtswidríg.
     
  • Musikelaufbaupräparate (BGH I ZR 34/01 - Muskelaufbaupräparate wg. UWG § 1; AMG § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 5, §§ 21, 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 6a; HWG § 3a; LMBG § 1 Abs. 1, EWGRL 65/65 Art. 1 Nr. 2; EGRL 83/2001 Art. 1 Nr. 2, Art. 128; EGRL 7/97 Art. 14; EG VO 178/2002 Art. 2 Abs. 3 Buchst. d ): Die Abgrenzung der Arznei- von den Lebensmitteln steht auch nach dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zum gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff.

 

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