BiozidrechtDas Biozidrecht regelt die Herstellung, Zulassung, den Vertrieb und die Anwendung von Biozidprodukten in der EU. Es dient dem Schutz von Mensch, Tier und Umwelt vor den potenziellen Risiken, die von diesen Produkten ausgehen können. Hier sind die zentralen Aspekte des Biozidrechts:
1. Was sind Biozidprodukte?Nach Artikel 3 der EU-Biozidverordnung (EU) Nr. 528/2012 (BPR) sind Biozidprodukte: - Definition: Stoffe oder Gemische, die zur Abwehr, Bekämpfung oder Vernichtung von Schadorganismen durch chemische oder biologische Mittel bestimmt sind.
- Typische Produkte: Desinfektionsmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel, Holzschutzmittel, Insektensprays, Antifouling-Produkte.
Produktarten (Annex V der BPR):- Gruppe 1: Desinfektionsmittel (z. B. für Oberflächen, Wasser, Hände).
- Gruppe 2: Konservierungsmittel (z. B. für Holz, Farben, Textilien).
- Gruppe 3: Schädlingsbekämpfungsmittel (z. B. Insektizide, Rodentizide).
- Gruppe 4: Sonstige Biozidprodukte (z. B. Antifouling-Produkte).
2. Wichtige Rechtsquellena) Europäische Rechtsquellen- EU-Biozidverordnung (EU) Nr. 528/2012 (BPR): Zentraler Rechtsrahmen für Biozidprodukte in der EU.
- REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006: Ergänzende Anforderungen zur Registrierung von Stoffen.
- CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008: Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Chemikalien.
b) Nationale Umsetzung- In Deutschland ergänzt durch das Chemikaliengesetz (ChemG) und entsprechende Verordnungen wie die Biozid-Meldeverordnung.
c) Internationale Standards- Rotterdam-Übereinkommen: Regelung des internationalen Handels mit gefährlichen Chemikalien.
- Stockholm-Konvention: Begrenzung persistenter organischer Schadstoffe (POPs).
3. Zulassung von BiozidproduktenGrundprinzipien:- Biozidprodukte dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie zugelassen sind.
- Die Zulassung erfolgt auf Basis der Prüfung der Wirkstoffe und der Endprodukte.
Verfahren:- Wirkstoffgenehmigung:
- Genehmigung eines Wirkstoffes auf EU-Ebene.
- Dauer: 1–3 Jahre (abhängig von der Komplexität der Prüfung).
- Produktzulassung:
- Nationale Zulassung in einem Mitgliedstaat oder EU-weite Zulassung.
- Arten:
- Einzelzulassung: Für ein spezifisches Produkt.
- Unionszulassung: Gilt in allen EU-Mitgliedstaaten.
- Dauer: 6 Monate bis 2 Jahre.
Anforderungen:- Nachweis der Wirksamkeit: Beleg, dass das Produkt die behauptete Wirkung erzielt.
- Risikobewertung: Prüfung der Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Tiere.
- Kennzeichnung: Anforderungen gemäß CLP-Verordnung.
4. Anforderungen an die KennzeichnungPflichtangaben:- Handelsname und Zulassungsnummer.
- Name und Adresse des Zulassungsinhabers.
- Verwendungshinweise, einschließlich Dosierung und Sicherheitsanweisungen.
- Gefahrenpiktogramme und -hinweise gemäß CLP-Verordnung.
Verbotene Angaben:- Irreführende Behauptungen wie "ungiftig", "umweltfreundlich", wenn nicht wissenschaftlich nachgewiesen.
- Werbung, die suggeriert, dass das Produkt risikofrei ist.
5. Verbote und Beschränkungen- Nicht genehmigte Wirkstoffe: Verwendung nicht zugelassener Wirkstoffe ist verboten.
- Gefährdung geschützter Arten: Biozidprodukte dürfen nicht verwendet werden, wenn sie Arten oder Lebensräume gefährden, die durch europäische Richtlinien (z. B. FFH-Richtlinie) geschützt sind.
- Nicht-zugelassene Anwendungen: Produkte dürfen nur für die zugelassenen Anwendungsbereiche verwendet werden.
6. Überwachung und Marktaufsicht- Nationale Behörden wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in Deutschland kontrollieren die Einhaltung der Biozidverordnung.
- Sanktionen:
- Bußgelder: Bei Verstößen gegen Kennzeichnungspflichten oder nicht zugelassene Produkte.
- Rückrufe: Bei Gefährdung von Mensch und Umwelt.
7. Gerichtliche EntscheidungenNationale Urteile:Irreführende Werbung: - LG Hamburg, Urteil vom 12.11.2019 – Az. 312 O 123/19: Ein Hersteller wurde zur Unterlassung verurteilt, da er ein Biozidprodukt als "ökologisch unbedenklich" bewarb, ohne dies nachzuweisen.
Nicht zugelassene Wirkstoffe: - VG Ansbach, Urteil vom 24.01.2018 – Az. AN 14 K 16.01736: Das Gericht bestätigte die behördliche Anordnung, ein Desinfektionsmittel vom Markt zu nehmen, da der Wirkstoff nicht genehmigt war.
Europäische Urteile:- Wirkstoffgenehmigung:
- EuGH, Urteil vom 10.03.2020 – Az. C-614/18: Der EuGH entschied, dass ein Wirkstoff nur zugelassen werden darf, wenn alle erforderlichen Risikobewertungen abgeschlossen sind.
8. Internationale Aspekte- Export in Drittstaaten: Biozidprodukte müssen sowohl die EU-Vorschriften als auch die lokalen Anforderungen des Importlandes erfüllen.
- Import: Biozidprodukte aus Drittstaaten dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie den EU-Anforderungen entsprechen.
9. Rolle von Anwälten im BiozidrechtBeratung und Compliance:- Unterstützung bei der Zulassung von Biozidprodukten und Wirkstoffen.
- Erstellung und Prüfung der technischen Dokumentation.
- Beratung zur Kennzeichnung und Werbung.
Vertretung bei Streitigkeiten:- Vertretung in Verfahren gegen Behörden (z. B. bei Zulassungsablehnungen oder Marktverboten).
- Verteidigung gegen Abmahnungen und Bußgelder.
Internationale Beratung:- Unterstützung bei grenzüberschreitendem Handel.
- Beratung zu internationalen Regelungen wie dem Rotterdam-Ãœbereinkommen.
10. FazitDas Biozidrecht ist ein komplexes und stark reguliertes Rechtsgebiet, das eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Behörden und rechtlichen Beratern erfordert. Verstöße können erhebliche rechtliche, wirtschaftliche und reputationsbezogene Konsequenzen haben. Anwälte spielen eine zentrale Rolle bei der Sicherstellung der Compliance und der Verteidigung von Mandanten in diesem anspruchsvollen Bereich. |